NIS-2-Betroffenheit: Auch der aktuelle Entwurf des Umsetzungsgesetzes vom 26. Mai 2025 ist nicht richtlinienkonform

NIS-2-Betroffenheit: Auch der aktuelle Entwurf des Umsetzungsgesetzes vom 26. Mai 2025 ist nicht richtlinienkonform

NIS-2-Richtlinie: Seit nunmehr 2 1/2 Jahren wird in Berlin über die richtige Umsetzung der NIS-2-Richtlinie zur Cybersicherheit diskutiert. Auch die neue Bundesregierung schafft es in ihrem aktuellen Entwurf vom 26. Mai 2025 nicht, im Hinblick auf die Betroffenheit Rechtssicherheit herzustellen.

Stand der Dinge

Nachdem in Berlin das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie (EU) in deutsches Recht in der vergangenen Legislaturperiode nicht abgeschlossen werden konnte, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) am 26.05.2025 einen neuen Bearbeitungsstand veröffentlicht.

Bemerkenswert ist, dass auch dieser trotz Kritik aus der Anwaltschaft weiterhin in einem wesentlichen Punkt nicht richtlinienkonform ausgestaltet ist und damit zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten führt.

Worum geht es:

Nach der NIS-2-Richtlinie liegen bestimmte Unternehmen benannter Sektoren

Energie, Verkehr, Bankwesen, Finanzmarktinfrastrukturen, Gesundheitswesen, Trinkwasser, Abwasser, Digitale Infrastruktur, Verwaltung von B2B-IKT-Diensten und Weltraum mit

a) mindestens 50 Mitarbeitenden oder

b) mehr als 10 Mio. Euro Jahresumsatz und mehr als 10 Mio. Euro Jahresbilanzsumme

als „wichtige Einrichtungen“ im Anwendungsbereich der NIS-2-Richtlinie (dort Anhang I).

Nicht relevant ist, ob es sich bei der Tätigkeit (z.B. Erzeugung von Elektrizität – Anhang I Ziffer 1. a)) um die Haupttätigkeit des Unternehmens handelt oder nur um eine Nebentätigkeit.

So kann schon der Betrieb einer einzigen Photovoltaik-Anlage für eigene Zwecke zur Anwendbarkeit der rechtlichen Vorgaben zur IT-Sicherheit führen, wenn die oben genannten Schwellwerte (Mitarbeiterzahl oder Umsatz/Bilanzsumme) im Unternehmen insgesamt erreicht werden. Das gilt auch dann, wenn das betreffende Unternehmen in ihrer Haupttätigkeit überhaupt nichts mit den genannten Sektoren zu tun hat.

Was sagt nun der Entwurf des Umsetzungsgesetz vom 26.05.2025:

„Bei der Bestimmung von Mitarbeiterzahl, Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme ist auf die der Einrichtungsart zuzuordnenden Geschäftstätigkeit abzustellen.“

Die Gesetzesbegründung macht es noch deutlicher:

Bei der Bestimmung der maßgeblichen Mitarbeiterzahlen und des Umsatzes sind nur diejenigen Teile der Einrichtung einzubeziehen, die tatsächlich im Bereich der in den Anlagen 1 und 2 genannten Definitionen der Einrichtungskategorien tätig sind, Querschnittsaufgaben wie beispielsweise Personal, Buchhaltung etc. sind hierbei anteilig zu berücksichtigen. Hierdurch wird sichergestellt, dass Einrichtungen, die insgesamt die Größenschwelle für Mitarbeiteranzahl, Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme überschreiten, deren hauptsächliche Geschäftstätigkeit jedoch nicht einer Einrichtungskategorie gemäß Anlage 1 oder 2 dieses Gesetzes zuzuordnen ist, nicht in unverhältnismäßiger Weise erfasst werden.

Hiernach wäre das Unternehmen von NIS-2 nicht betroffen, wenn der Bereich, der sich mit der Erzeugung der Elektrizität beschäftig, die Kennzahlen nicht erreicht.

Was bedeutet das nun:

Das mag aus Sicht der Wirtschaft äußerst begrüßenswert sein, ändert aber nichts daran, dass diese Art der Berechnung europarechtswidrig ist. Sie verkennt die Systematik der NIS-2-Richtlinie. Die Schwellenwerte sind kein Indiz für die Kritikalität der Einrichtung. Sie soll vielmehr eine faire Lastenverteilung gewährleisten und kleine und Kleinstunternehmen mit der Umsetzung nicht überfordern. Falls der deutsche Gesetzgeber dabei bleibt, droht diese Einschränkung an einer europarechtskonformen Auslegung zu scheitern. Aus rechtlicher Sicht ist daher zu empfehlen, sich an die klaren Vorgaben der NIS-2-Richtlinie zu halten.

Was sollten Betroffene tun:

  • Für alle Unternehmen gilt, dass sie vor dem Hintergrund des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes bzw. des HGB zum angemessenen Management ihrer Risiken verpflichtet sind. An Unternehmen, die in „kritischen“ Sektoren tätig sind, werden schon hieraus höhere Anforderungen zu stellen sein, als an andere. Sollte der Reifegrad eines Risikomanagementsystems nicht dem der ISO/IEC27001 oder der NIS-2-Regulierung genügen, sollte das Gap effektiv und effizient zu schließen sein.
  • Für bestimmte Arten grenzüberschreitender Dienste wie z.B. Anbietern von Cloud-Computing-Diensten (auch Inter-Compay) oder Anbietern von Rechenzentrumsdiensten gilt: Seit November 2024 ist die NIS-2-Durchführungsverordnung („NIS-2-VO“) unmittelbar anwendbar. Für diese Dienste ist im Hinblick auf die Betroffenheit allein die NIS-2-Richtlinie einschlägig.
  • Für andere Sektoren gilt: Die NIS-2-VO hält einen Katalog von Anforderungen an die IT-Sicherheit der Unternehmen bereit, den ich als Rechtsanwältin und Information-Security-Officer TÜV mit den Anforderungen („Controls“) der ISO/IEC 27001 gemappt habe. Es hat sich herausgestellt, dass ein wesentlicher Teil der Anforderungen der NIS-2-VO unter bestimmten Bedingungen mit dem „Werkzeug ISO/IEC 27001/2“ gut umgesetzt werden kann. Da es nach dem Inkrafttreten des deutschen NIS-2-Umsetzungsgesetzes keine weitere Übergangsfrist mehr geben dürfte und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Anforderungen aus der NIS-2-VO mehr oder weniger durch den Bundesgesetzgeber entsprechend übernommen werden, empfiehlt sich die Nutzung der Durchführungsverordnung zur Vorbereitung.

IT-Sicherheits-Rechtsberatung

Bei der NIS-2-Richtlinie, der NIS-2-VO und dem Umsetzungsgesetz handelt es sich um Gesetze, die – anders als internationale Normen wie die ISO/IEC 27001 – in einem komplexen digitalrechtlichen Kontext stehen und an zahlreichen Stellen einer europarechtskonformen Auslegung durch Rechtsanwälte bedürfen. Dabei ist zu beachten, dass sie als Teil des öffentlich-rechtlichen Sicherheitsrechts nicht dem Schutz der Unternehmen vor Bußgeldern oder der Förderung ihrer Marktchancen dienen (so ISO/IEC 27001), sondern allein die kontinuierliche Verfügbarkeit kritischer Dienste und Infrastrukturen im Falle von Cybervorfällen sicherstellen.

EU-Rechtsakt zur Förderung von Cloud-Kapazitäten und KI-Entwicklung

EU-Rechtsakt zur Förderung von Cloud-Kapazitäten und KI-Entwicklung – Mehr als GAIA-X 2.0

Die Europäische Kommission plant einen neuen Rechtsrahmen zur Förderung nachhaltiger Rechenzentren und sicherer Cloud-Dienste. Ziel ist es, Europas digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken – insbesondere im Hinblick auf KI-Anwendungen.

Ziel und Hintergrund

Am 9. April 2025 stellte die EU-Kommission einen ehrgeizigen „Aktionsplan“ für einen europäischen KI-Kontinent vor, dessen Ziel es ist, auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz weltweit führend zu werden – und das am besten auf Basis digitaler Souveränität. Als Hemmnis für dieses Ziel wurde u.a. das zunehmende Ungleichgewicht zwischen dem wachsenden Bedarf und den aktuell verfügbaren Rechenkapazitäten in der EU ausgemacht. Während die USA und China bei Rechenzentren führend sind, besteht in Europa erheblicher Nachholbedarf. So will die Kommission nun ein Netz von KI-Fabriken aufbauen – ein gutes Dutzend davon sollen bereits im Umfeld weltweit führender Supercomputer in Europa in der Entstehung sein. Im „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ kündigte die EU zudem die Einrichtung von KI-Gigafabriken an, sofern dies für erforderlich erachtet wird. Ein entsprechender „Call for expression of interest“ läuft bereits: 

https://eurohpc-ju.europa.eu/document/download/47492db7-592e-4ad8-b672-9c822f94afa0_en?filename=AI%20GIGAFACTORIES%20CONSULTATION.pdf

Um Anreize für Investitionen des Privatsektors in Cloud-Kapazitäten und Rechenzentren zu schaffen, schlägt die Kommission zudem einen „Rechtsakt über Cloud- und KI-Entwicklung“ vor.

Inhalte des geplanten Rechtsaktes

Das Vorhaben zielt darauf ab, den derzeit ungünstigen Bedingungen für den Privatsektor für den Aufbau von Rechenkapazitäten abzuhelfen. Dabei stehen nicht nur technische, sondern auch rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Fokus. Im Einzelnen geht es um

  • die Förderung von Forschung und Innovation zur Verbesserung des Energiemanagements, der Kühlung, des allgemeinen Betriebs und der Integration in Energie- und Wasserversorgungssysteme zur Errichtung effizienter und nachhaltiger Rechenzentren;
  • Anreize und Unterstützung von Investitionen in nachhaltige Rechenzentren durch Abbau von Hürden wie langen Genehmigungszeiten und Schwierigkeiten beim Zugang zu Energie, Wasser, Grund und Boden sowie Kapital und durch Bereitstellung möglicher finanzieller Unterstützung;
  • die Schaffung hochsicherer, in der EU angesiedelter Cloud-Kapazitäten für bestimmte hochkritische Anwendungsfälle, etwa im Bereich kritischer Infrastrukturen.

Regulierungsoptionen und Konsultationsprozess

Die Kommission prüft aktuell verschiedene Regulierungsoptionen – von unverbindlichen Leitlinien über eine Richtlinie bis hin zu einer umfassenden Verordnung mit zentraler Durchsetzungsbehörde. Die bevorzugte Option soll dabei nicht nur für einheitliche Mindeststandards sorgen, sondern auch gemeinsame Investitionen der Mitgliedstaaten in ein europäisches Cloud-Ökosystem ermöglichen.

Für IT-Unternehmen und industrielle Anwender ergeben sich hieraus potenziell weitreichende Veränderungen – nicht nur in der Nutzung von Cloud- und KI-Diensten, sondern auch bei der Auswahl von Anbietern, der Planung eigener Infrastrukturprojekte und der Integration in europäische Wertschöpfungsketten. Auch rechtlich ist mit neuen Anforderungen und Kooperationsmöglichkeiten zu rechnen, etwa bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, der Nutzung von Fördermitteln oder der Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorgaben.

Im Laufe des Jahres 2025 wird eine umfassende Folgenabschätzung durchgeführt, bei der auch Unternehmen und Stakeholder zur Mitwirkung eingeladen sind. Für Akteure aus der Digitalwirtschaft empfiehlt es sich, diese Entwicklung aktiv zu begleiten – nicht zuletzt, um die eigenen Interessen frühzeitig einzubringen und sich auf kommende regulatorische Anforderungen vorzubereiten.

Vergleich Europäische Cloud vs. EU-Rechtsakt zu Cloud- und KI-Infrastruktur

Weiterführende Links:

Möglichkeit zur Einsicht in das Papier und zur Mitwirkung (Call for evidence): 
https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/14628-Cloud-and-AI-Development-Act_en

Aktionsplan der EU für einen KI-Kontinent:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_1013

Die RED-Verordnung und ihre praktische Umsetzung

Die RED-Verordnung und ihre praktische Umsetzung

Vor dem Hintergrund, dass IoT-Produkte immer öfter nicht nur über Funk, sondern auch über das Internet miteinander kommunizieren, hat die EU-Kommission mit Wirkung zum 01.08.2025 durch delegierte Rechtsverordnung (EU) 2022/30 (RED-Verordnung) die Security-Anforderungen an reine Funkanlagen aus der Richtlinie 2014/53/EU (RED-Richtlinie) ausdrücklich auf mittelbar oder unmittelbar mit dem Internet verbundene Funkanlagen ausgedehnt und sich aus einer Internetverbindung ergebende Risiken adressiert.

Die Umsetzung bereitet erhebliche Schwierigkeiten.

Unbestimmte Anforderungen

Die Cybersecurity-Anforderungen aus der RED-Verordnung in Verbindung mit der RED-Richtlinie sind derart generisch, dass ein Normungsauftrag vergeben wurde. Der Zweck einer „harmonisierten Norm“ besteht darin, ein generisches Gesetz zu konkretisieren, indem sie technische Einzelheiten und Lösungen für die Sicherheits- und Leistungsanforderungen bereitstellt. Sie werden rechtlich verbindlich, wenn Rechtsakte wie die RED-Verordnung oder die RED-Richtlinie darauf verweisen und können einfacher als diese der technischen Entwicklung angepasst werden.

Erste Entwürfe dafür liegen vor, helfen den Anwendern aber nur bedingt.

Die Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass eine Norm einerseits die sehr unterschiedlichen Risiken nicht berücksichtigen kann, die sich aus oder für einzelne mit dem Internet verbundene Produkte ergeben. Die Bandbreite ist zu groß. Andererseits hat der Normgeber das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit aus Art. 16 EU-Grundrechtscharta zu berücksichtigen, welches dem Unternehmer das Recht gewährt, frei über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen zu verfügen.

Gesetzliche oder normierte Anforderungen dürfen dieses Unternehmergrundrecht nur so weit einschränken, wie es erforderlich ist, legitime Zwecke zu erfüllen. Diese sind ausweislich der Erwägungsgründe der RED-Verordnung insbesondere der Schutz des Netzes vor Schaden, Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre des Nutzers, sowie Schutz vor Betrug im Finanzumfeld („Schutzziele“).

Risikomanagement durch das Unternehmen

Die RED-Verordnung mit ihrer entstehenden harmonisierten Norm überlässt es letztlich den Unternehmen, innerhalb eines bestimmten Rahmens die produktspezifischen Maßnahmen zu bestimmen, die zur Sicherung der Schutzziele zu treffen sind. Somit können sie sich für die Umsetzung derjenigen Maßnahmen entscheiden, die ihren Ressourcen und Möglichkeiten am besten entsprechen und mit den übrigen von ihnen bei der Ausführung ihrer Tätigkeit zu erfüllenden Pflichten und Anforderungen vereinbar sind (siehe hierzu ausführlich EuGH, Urteil v. 27.03.2014, C-314/12). Zu diesen übrigen Pflichten gehört auch die Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens gemäß §§ 76, 91 Abs. 2, 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG und § 347 Abs. 1 HGB und damit der Schutz des Vermögens vor unangemessenen Sicherheitsmaßnahmen.

Die erforderliche Risikobewertung ist mit den getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren, denn – so schreibt es der EuGH in seiner o.g. Entscheidung – dies ermöglicht es dem Unternehmer, sich von einer Haftung zu befreien, indem er nachweist, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

Ein mühsames und interdisziplinäres Unterfangen

Einen Freifahrtschein hat der EuGH mit seinem Urteil jedoch nicht gegeben. Auch ein finanziell schwaches Unternehmen darf keine Anlage auf dem EU-Markt platzieren, welche unannehmbare Risiken für die oben genannten Schutzziele birgt.

Für eine juristisch valide Anwendung der RED-Verordnung und der harmonisierten Norm und eine qualifizierte Risikobewertung bedarf es einer engen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten, Produktentwicklern und Entwicklern von Embedded Software.

In a Nutshell

Bis zum 01.08.2025 müssen Hersteller

  • im Rahmen der RED-Normung
  • mit Blick auf die notwendige Netzwerksicherheit und den notwendigen Schutz von personenbezogenen Daten
  • in Ausübung ihrer unternehmerischen Freiheit und ihrer Vermögensschutzpflichten

eine angemessene Cyberresiliez ihrer Funkanlagen hergestellt haben. Unannehmbare Risiken werden nicht akzeptiert.