
EU Data Act: Cloud-Switching und Interoperabilität
Der unterschätzte Teil mit großer Wirkung
In wenigen Tagen finden wesentliche Regelungen des EU Data Act Anwendung. Interessierte Communities tauschen sich viel zu den Anforderungen an das Produktdesign oder die Bereitstellung von Nutzungsdaten aus. Als Beispiel gern genommen wird das Auto. Eher leise kommen dagegen die Regelungen zum Cloud-Switching daher. Das ist verwunderlich, denn sie haben für Softwarehersteller und Distributoren erhebliche Auswirkungen – Kunden können Nutzen ziehen.
Zwei sehr verschiedene Regelungsbereiche
Am 23. Februar 2022 legte die EU-Kommission ihren ersten Entwurf für den Data Act vor – eine Verordnung über fairen Datenzugang und faire Datennutzung. Über die Pläne berichtete ich bereits im September 2022 in der Sonderbeilage der Fachzeitschrift IT-Business – Cloud & Virtualisierung.
Seither habe ich die Debatten um den Data Act intensiv begleitet, unter anderem in Sitzungen der Verbände BDI und ZVEI, an denen auch Vertreter der EU-Kommission und des Bundesministeriums für Wirtschaft im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0 teilgenommen haben. Dort stand vor allem das Kapitel zum Data-Sharing bei IoT-Produkten im Mittelpunkt: Wem gehören die Daten, die bei der Nutzung eines Autos, eines CT-Geräts oder einer Baumaschine entstehen? Nach dem Willen der EU dürfen Hersteller diese künftig nur mit Zustimmung der Nutzer selbst verwenden. Gleichzeitig müssen sie die Daten und Metadaten Nutzern – und auf Wunsch auch Dritten – zugänglich machen, selbst wenn Geschäftsgeheimnisse betroffen sind.
Die Industrie konnte daran kaum etwas ändern. Der Data Act wurde am 22. Dezember 2023 verabschiedet und gilt in seinen wesentlichen Teilen ab dem 12. September 2025. Viele Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, unklare und komplexe Vorgaben in die Praxis umzusetzen. Aus meiner Beratungspraxis weiß ich: Mit einem pragmatischen Ansatz lassen sich Lösungen finden. In dem Data-Act-Projekt bei einem international ausgerichteten Baumaschinenhersteller haben wir in einem interdisziplinären Team Wege entwickelt, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, ohne Wettbewerbsnachteile zu riskieren.
Deutlich weniger Aufmerksamkeit haben bisher die Vorgaben zu Cloud-Switching und Interoperabilität erhalten. Dabei gehören sie zu den folgenreichsten Kapiteln des Data Act – mit weitreichenden Konsequenzen nicht nur für die großen Softwarehersteller, sondern ebenso für Distributoren, Partner und Dienstleister.
1. Was bedeutet Cloud-Switching im Kontext des Data Act?
Der Data Act greift gezielt in den Markt für Cloud-Dienste ein. Sein Ziel: Nutzer sollen nicht mehr dauerhaft an einen Anbieter gebunden sein, sondern ihre Daten, Anwendungen und Workloads einfacher zu einem anderen Provider übertragen können. Damit will die EU den „Lock-in-Effekt“ durchbrechen, der heute viele Unternehmen davon abhält, den Anbieter zu wechseln. Erfasst sind Cloud-Angebote in den bekannten Schichten:
- Infrastructure-as-a-Service (IaaS): Infrastruktur wie Server, Netze und Speicher.
- Platform-as-a-Service (PaaS): Entwicklungs- und Betriebsumgebungen für Anwendungen.
- Software-as-a-Service (SaaS): Anwendungen, die der Kunde „fertig“ nutzen kann.
Je höher die Ebene, desto komplexer ist ein Anbieterwechsel.
Gleiche Dienstart
Der Data Act ermöglicht eine vom Anbieter kostenlos zu unterstützte Portabilität von Daten zwischen Diensten – aber nur, wenn diese Dienste gleichartig sind. Unter „Diensten gleicher Dienstart“ versteht man im Wesentlichen Datenverarbeitungsdienste, die dasselbe Hauptziel, die gleichen Hauptfunktionen und das gleiche Dienstmodell teilen.
Operative Details, wie etwa die zugrunde liegende Infrastruktur (Amazon, Microsoft etc.) oder konkrete technische Umsetzung, spielen keine Rolle. Entscheidend ist, dass alle drei Kriterien gleichzeitig erfüllt sind: Nur wenn Hauptziel, Hauptfunktionen und Dienstmodell übereinstimmen, kann ein Nutzer seine Daten rechtlich und technisch problemlos zu einem anderen Anbieter übertragen.
Bereichsausnahmen
Nicht alle Dienste sind jedoch erfasst. Ausgenommen sind Test- und Proof-of-Concept-Angebote, da hier naturgemäß noch kein Lock-in besteht. Anders verhält es sich mit „On-Top-Angeboten“, die bestehende Kunden binden sollen – sie fallen unter die Wechselpflichten.
2. Interoperabilität: Anforderungen an Schnittstellen
Ein zentrales Element des Data Act sind die Schnittstellen, über die ein Wechsel von einem Cloud-Anbieter zum anderen technisch ermöglicht wird. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten ihre Schnittstellen so ausgestalten müssen, dass Kunden ihre Daten in ein anderes System übertragen können – ohne übermäßigen Aufwand und ohne technische Hürden.
Offene Schnittstellen mit ausreichenden Informationen
Art. 30 Data Act verpflichtet Anbieter, offene Schnittstellen bereitzustellen. „Offen“ bedeutet hier: Die Schnittstellen sind öffentlich dokumentiert und können von Dritten genutzt werden, etwa für die Entwicklung von Migrationstools.
Diese Schnittstellen müssen mit ausreichenden Informationen angereichert sein – insbesondere mit den Metadaten, die erforderlich sind, um eine Kommunikationsfunktion zwischen Alt- und Neusystem herzustellen. Ein typisches Beispiel: Im Altsystem werden „Vorname“ und „Nachname“ getrennt gespeichert, im neuen System gibt es nur das Feld „Name“. Das Migrationstool muss anhand der bereitgestellten Metadaten in der Lage sein, die beiden Werte zusammenzuführen und korrekt im Zielsystem einzutragen. Ohne solche Informationen wären die exportierten Daten zwar vorhanden, im neuen System aber nicht sinnvoll nutzbar.
Konflikt mit Schutzrechten
Wie schon im vorherigen Kapitel dargestellt, können diese Metadaten tief in geschützte Bereiche wie Geschäftsgeheimnisse oder geistige Eigentumsrechte hineinreichen. Der Data Act stellt jedoch klar: Der Schutz endet dort, wo er den Anbieterwechsel vereiteln würde. Die genaue Abgrenzung, welche Informationen offengelegt werden müssen, bleibt in vielen Fällen eine Frage der Praxis und voraussichtlich auch der Rechtsprechung.
Interessant für SAP Kunden:
Selbstverständlich gilt das alles auch für „RISE with SAP S/4 HANA on Hyperscaler“. Kunden können frei wählen, ob sie im Bereich Analytics & Data die SAP Analytics Cloud (SAC) verwenden wollen oder z.B. die Power BI von Microsoft. Die Schnittstellen müssen künftig den Anforderungen des Data Act genügen. Gerne können Sie hierzu bei den Münchner SAP-Tagen am 2. Oktober 2025 mit mir diskutieren: http://sap-tage.de/227.html.
Fazit
Der Data Act ist weit mehr als ein Gesetzestext – er ist ein komplexer Regelungsrahmen, der Unternehmen auf vielen Ebenen betrifft. Die hier angesprochenen Punkte zu Datenportabilität, Metadaten und Schnittstellen sind nur ein Ausschnitt. In der Praxis stellen sich zahlreiche weitere Detailfragen, die jeweils erhebliche rechtliche und technische Herausforderungen mit sich bringen.
Eines ist klar: Projekte zur Umsetzung des Data Act sollten unbedingt mit rechtlicher Expertise begleitet werden. Nur so lassen sich Risiken vermeiden und tragfähige Lösungen entwickeln, die den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit sichern.
Wer tiefer einsteigen möchte: Im Compliance Handbuch EU Data Act (Carl Heymanns Verlag – Wolters Kluwer), an dem ich als Co-Autorin mitgewirkt habe, finden sich umfassende Erläuterungen und Praxishinweise zu allen relevanten Kapiteln.

Wenn Sie konkrete Fragen zu Ihrem Data Act Projekt haben, sprechen Sie mich gerne an.